Dieser Beitrag ist auch als Artikel in Audit Committee Quarterly I/2019 erschienen.
Klimawandel ist eines der größten Probleme unserer Zeit. Ein Preis auf CO2-Emissionen ist aus ökonomischer Sicht ein adäquates Mittel, die Verursacher zur Verantwortung zu ziehen und effizient den Ausstoß von Treibhausgasen dort zu reduzieren, wo es am günstigsten ist. Aber um die Wende in eine treibhausgasfreie Zukunft zu bewältigen, sind zusätzliche politische Maßnahmen nötig.
Klimawandel erfordert Ausstieg aus Kohle, Öl und Gas
Wenn wir den Klimawandel eindämmen wollen, müssen wir unser Energiesystem komplett neu denken. Zu Beginn der Klimadebatte in den 1990ern wurde es noch als ausreichend erachtet, den Ausstoß von Treibhausgasen über Jahrzehnte langsam, aber sukzessive zu senken, z. B. durch Effizienzsteigerungen in bestehenden Prozessen. Seitdem sind die globalen CO2-Emissionen um etwa 60 Prozent gestiegen und es ist klar, dass der Klimawandel schon bei geringen Temperaturänderungen viel gravierendere Auswirkungen hat als damals gedacht. Daher empfiehlt der Weltklimarat IPCC heute, den globalen CO2-Ausstoß bis 2050 auf netto null zu senken. Ein schneller und kompletter Ausstieg aus Kohle, Öl und Gas ist dazu nötig. Das erfordert komplett neue Technologieansätze, die einen radikalen Umbruch in allen Sektoren begründen. Zudem müssen fossile Brennstoffe dort wo möglich durch CO2-armen Strom ersetzt werden, z. B. Benzin und Diesel sowie Öl und Gas zum Heizen.
Diese vollständige Transformation bedarf neuer politischer Instrumente. Ein signifikanter Preis auf CO2-Emissionen, sei es eine Steuer oder über ein Emissionshandelssystem, zieht die Verursacher zur Verantwortung und stellt sicher, dass der Ausstoß von Treibhausgasen dort reduziert wird, wo es am günstigsten ist.
Ein CO2-Preis wirkt aber unterschiedlich stark; je nachdem, wie sensitiv einzelne Sektoren auf Preissignale reagieren. Zusätzlich fördern andere Steuern, Abgaben oder Vergünstigungen zum Teil auch CO2-intensive Technologien. Ein zusätzlicher, über alle Sektoren gleicher CO2-Preis allein wird daher nicht zu dem erforderlichen radikalen Umbruch in allen Sektoren führen.
Das europäische Emissionshandelssystem belegt Emissionen in verschiedenen Sektoren (z. B. Industrie und Energie) bereits mit einem Preis. In anderen Sektoren gibt es in Deutschland bisher keinen einheitlichen Preis für CO2-Emissionen. Zurzeit wird diskutiert, auch in diesen Sektoren die CO2-Emissionen durch eine Abgabe zu verteuern.
Heutiger CO2-Preis in der Stromproduktion reicht nicht aus
Der CO2-Preis im europäischen Emissionshandelssystem ist recht niedrig, da in der Vergangenheit zu viele Zertifikate im Umlauf waren. Er lag lange unter 10 EUR / tCO2 und ist erst seit Sommer 2018 auf etwa 20 EUR / tCO2 gestiegen. Die weitere Preisentwicklung ist schwer vorhersagbar, was die Planbarkeit von Rentabilität von Investitionen weiter beeinträchtigt.
Bei niedrigem CO2-Preis ist es im europäischen Markt günstiger, ein Kohlekraftwerk zu betreiben als ein Gaskraftwerk. Der Rohstoff Kohle, insbesondere heimische Braunkohle, ist günstiger als Gas, verursacht aber rund zweimal so viel CO2 pro kWh Strom. Erst bei einem CO2- Preis von etwa 35 EUR / tCO2 lohnt es sich, ein Gaskraftwerk anstelle eines Kohlekraftwerks anzufahren. Mindestens dieser Preis müsste erzielt werden, um durch den Umstieg von Kohle auf Gas den CO2- Ausstoß zu halbieren.
Kohle durch Gas zu ersetzen, bringt den Ausstoß aber nicht auf null und ist daher heute nicht mehr ausreichend. Es wäre nötig, ausschließlich auf erneuerbare Energien zu setzen, wie Strom aus Wind und Sonne, die quasi ohne CO2-Emissionen auskommen. Insbesondere in den 2000er-Jahren hat die garantierte, kostendeckende Vergütung in Deutschland den Strom aus Wind und Sonne attraktiv gemacht. Die Festpreise pro eingespeister kWh waren damals sehr hoch und würden mehr als 1.000 EUR / tCO2 entsprechen. Die hohe Vergütung verbunden mit Planungssicherheit hat dazu geführt, dass die Technologie sich durchsetzen konnte und nun durch Größeneffekte rasant im Preis gefallen ist. Strom aus Wind und Sonne ist heute ohne CO2-Preis oder andere Subventionen in vielen Regionen der Welt konkurrenzfähig und bringt Kohlekraftwerke ökonomisch unter Druck. Erneuerbare sind sogar so erfolgreich, dass sie in Ländern massiv ausgebaut werden, in denen die nationalen Regierungen eigentlich Kohle fördern wollen, z. B. in den USA und Australien.
Man kann sich streiten, ob die deutsche Förderung für Erneuerbare in der Vergangenheit zu großzügig war, aber ein für diese rasante und positive weltweite Entwicklung notwendiger CO2-Preis wäre wahrscheinlich nicht durchsetzbar gewesen.
CO2-Emissionen aus der Industrie sind über den europäischen Emissionshandel einem derzeit moderaten CO2-Preis ausgesetzt. Gleichzeitig sind Teile der Industrie aus Wettbewerbsgründen von einigen Steuern und Abgaben auf Energie ausgenommen. Anreize fehlen, komplett CO2-freie, heute noch teure Produktionsprozesse zu entwickeln.
Umstieg auf CO2-freie Antriebe nötig
Im Transportsektor sind Steuern auf Benzin und Diesel bereits jetzt relativ hoch und werden zum Teil erhoben, umTransportinfrastruktur zu finanzieren. Umgerechnet liegt die Energiesteuer für Benzin und Diesel bei über 200 EUR / tCO2. Eine zusätzliche CO2-Steuer von 35 EUR würde den Preis pro Liter um etwa 6 Eurocent anheben. Ein solcher CO2-Preis, der im Stromsektor Emissionen bis zu halbieren würde, hätte im Transportsektor wahrscheinlich nur marginale Wirkung.
Diesel wird derzeit 30 Prozent niedriger besteuert als Benzin, weil Dieselmotoren generell effizienter sind, obwohl der CO2-Gehalt der Kraftstoffe nur marginal unterschiedlich ist. Die relative Steuervergünstigung hat dazu geführt, dass Dieselmotoren noch effizienter, aber auch größer wurden, die erhofften Einsparungen sind wieder zunichtegemacht worden.
Der Umstieg von Benzin auf Diesel reicht aber heute nicht mehr aus. Auch im Transportsektor müssen langfristig CO2-Emissionen auf null sinken, z. B. durch Verlagerung auf den Schienenverkehr, Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs, mehr Fahrradwege und auch batterieelektrische oder Brennstoffzellenautos. Die Entwicklung solcher Autos wurde zunächst in den 1990ern in Kalifornien mit einem Zero Emission Standard initiiert und wird heute in Norwegen mit massiver finanzieller Förderung und in China mit einer Quote für Elektroautos vorangetrieben. In Europa setzt man etwas halbherzig auf einen Emissionsstandard, bei dem ein höherer Anteil von Elektroautos höhere Emissionen bei Verbrennern ausgleichen kann.
Auch im Transportsektor wäre also ein CO2-Preis wünschenswert, insbesondere wenn die jetzige Besteuerung mehr am CO2-Gehalt der Kraftstoffe ausgerichtet wäre. Alleine würde ein CO2-Preis aber wahrscheinlich nicht die nötige Wirkung entfalten, komplett aus fossilen Energieträgern auszusteigen.
Null-Energie-Gebäude fördern
Im Gebäudesektor gibt es internationale Beispiele, was ein auf den CO2-Gehalt ausgerichtetes Steuersystem bewirken kann. Schweden erhebt bereits seit 1991 eine CO2-Steuer, u. a. auf Heizbrennstoffe als Ersatz für die Energiesteuer. Heute liegt der Preis bei etwa 120 EUR / tCO2. Diese Maßnahme hat über die Zeit fast alle Öl- und Gasheizungen aus schwedischen Häusern vertrieben, man heizt hier jetzt mit strombetriebenen Wärmepumpen oder Biomasse.
Eine zusätzliche CO2-Steuer von 35 EUR / tCO2 würde den Erdgaspreis für Haushalte in Deutschland um 18 Prozent erhöhen. Das wäre eine signifikante Erhöhung, sicherlich mit Lenkungswirkung. Aber wahrscheinlich ist das noch nicht ausreichend, alle Hausbesitzer von einer alternativen Heiztechnik zu überzeugen.
Alternative Heizungen machen auch nur Sinn, wenn sie mit hohen Dämmstandards für Gebäude kombiniert werden. Schon jetzt lohnt es sich, unter bestimmten Bedingungen sein Haus zu dämmen oder gleich Null-Energiehäuser zu bauen. Die erhöhten Investitionskosten werden durch eingesparte Energiekosten während der Nutzung mehr als ausgeglichen. Dennoch geht die energetische Sanierung viel zu langsam voran. Höhere Brennstoffkosten werden das beschleunigen, aber nicht grundsätzlich ändern. Zusätzlich zu einem CO2-Preis sind also Energiestandards für neue Gebäude und Anreize zur Renovierung von existierenden Gebäuden nötig.
Sozialer Ausgleich ist essenziell
Ein großer Vorteil des CO2-Preises ist, dass Einnahmen für den Staat generiert werden. Diese können genutzt werden, die Energiewende weiter voranzutreiben. Der Kompromiss der Kohlekommission hat gezeigt, dass Ausgleichszahlungen ein Mittel sein können, die Transformation akzeptabel zu gestalten. Ein CO2-Preis wäre eine gute Ergänzung zum Kompromiss, um den Vorschlag zu finanzieren.
Der Protest der »Gelben Westen« in Frankreich hat auch gezeigt, dass es essenziell ist, bei steigenden Steuern gleichzeitig sozial schwache Haushalte zu entlasten. Diese werden durch CO2-Steuern überproportional belastet, da sie relativ gesehen am meisten für Energie ausgeben. In der Schweiz werden zum Beispiel die zusätzlichen Einnahmen an alle Bürger gleichmäßig wieder ausgeschüttet. Dadurch ist für jeden transparent, dass man zwar mehr Heizkosten zahlt, aber auch frei verfügbares Geld zurückbekommt. Bei Rückzahlung über eine Senkung der Lohnnebenkosten (wie 1999 bis 2003 durch die Ökosteuer) profitieren nur die, die auch hohe Lohnnebenkosten haben. Zweite Priorität sollte sein, klimafreundliche Investitionen zu fördern, etwa durch Zuschüsse für Gebäuderenovierungen (wie in der Schweiz) oder Investitionen in den öffentlichen Nahverkehr. Im Rahmen einer größeren Steuerreform könnte Strom billiger gemacht werden, indem man ihn nur nach CO2-Gehalt besteuert und von anderen Abgaben befreit. Die Möglichkeit der zusätzlichen Steuerung wäre vertan, wenn das Geld nur in den Staatshaushalt fließt.
Ein CO2-Preis ist also ein essenzieller Bestandteil einer ausgewogenen, sozial verträglichen Klimapolitik. Aber nur wenn er mit einem am CO2-Gehalt ausgerichteten Umbau des Steuersystems einhergeht und in ein Paket aus vielen unterschiedlichen Maßnahmen eingebettet ist, kann die Transformation zu einer emissionsfreien Gesellschaft gelingen.