Mit der Abkehr der potentiellen neuen großen Koalition vom Klimaziel für 2020 gibt Deutschland nun offiziell die Rolle als internationaler Klimaschutzvorreiter auf. Mit Ausnahme der Förderung der Erneuerbaren Energien im Stromsektor und einigen Energieeffizienzmaßnahmen im Gebäudesektor ist in allen Sektoren versäumt worden, wirksame Klimaschutzmaßnahmen umzusetzen, so dass deutsche Treibhausgasemissionen in diesem Jahrzehnt nicht weiter sinken und auf einem immer noch hohen Niveau stagnieren. Das Klimaziel nun auch offiziell aufzugeben, ist mehr als nur ein interner Kompromiss der zukünftigen Koalitionäre, sondern sendet vor allem ein fatales Signal in die Welt. Deutschland nimmt so in Kauf, dass auch andere Länder ihre Klimaschutzziele aufgeben und begibt sich damit fast in eine Kategorie mit den USA. Mit einem umfassenden Maßnahmenpaket in einem Klimaschutzgesetz könnte das noch verhindert werden.


Wenn Deutschland tatsächlich das Klimaschutzziel für 2020 aufgibt, wie man es aus dem Ergebnis der Sondierungsgespräche und dem Koalitionsvertrag herauslesen kann, hätte das unabsehbare Folgen für den internationalen Klimaschutzprozess rund um das Pariser Abkommen. Es basiert auf dem gegenseitigen Vertrauen, dass Länder ihre freiwilligen Verpflichtungen auch einhalten. Wenn ein Land wie Deutschland, dessen herausragende Rolle in der internationalen Klimadiplomatie das Paris Abkommen erst möglich gemacht hat, sein lange zuvor gestecktes Ziel nicht einhält, wer dann? Die Glaubwürdigkeit als Vorbild im Klimaschutz wäre endgültig dahin und auch die ambitionierten Bemühungen der deutschen Klimaverhandler wären torpediert. Wie soll Deutschland in Zukunft andere Länder davon überzeugen, ihre Ziele einzuhalten und überhaupt ernst zu nehmen? Stattdessen ist zu befürchten, dass auch andere Regierungen sich in letzter Minute von ihren Zielen verabschieden mit Verweis auf den deutschen „Klimavorreiter“.  Damit läuft die mögliche zukünftige Bundesregierung Gefahr, in das gleiche Horn zu blasen wie US Präsident Trump, der die Klimaziele der USA aufgegeben hat. Der mögliche Schaden für das Klima kann also deutlich größer sein, als es sich die Sondierer eingestehen wollen.

Das Ziel, Treibhausgasemissionen von 1990 bis 2020 um 40% zu senken, stammt ursprünglich aus dem Koalitionsvertrag von Rot/Grün aus dem Jahr 2002 und wurde seitdem von der folgenden schwarz/gelben und der großen Koalition bestätigt. Deutschland hatte bis jetzt also 16 Jahre Zeit sich darauf vorzubereiten.

Mit Ausnahme der Förderung der Erneuerbaren Energien im Stromsektor und der Förderung von Niedrigenergiehäusern durch die KfW ist in allen Sektoren über diesen langen Zeitraum versäumt worden, wirksame Klimaschutzmaßnahmen umzusetzen, so dass deutsche Treibhausgasemissionen in diesem Jahrzehnt nicht weiter gesunken sind und auf einem immer noch hohen Niveau stagnieren. Selbst bei den Erneuerbaren Energien hat man sich in den letzten Jahren viel auf den Erfolgen der Vergangenheit ausgeruht und gleichzeitig nichts gegen die emissionsintensivste Quelle Kohle unternommen. Seit 2009 sind die Treibhausgasemissionen stabil bei etwa 900 Millionen Tonnen CO2-Äquivalent pro Jahr. 2017 waren die Emissionen nur 28% unter dem Niveau von 1990, in 2020 werden es laut Vorhersagen des Umweltbundesamts 33% sein. Das hinterlässt eine signifikante Lücke von ungefähr 90 Millionen Tonnen CO2-Äquivalent - oder grob 10% der heutigen Emissionen. Neuere aber nicht öffentliche Berichte sprechen jetzt sogar von einer Lücke von 100 Millionen Tonnen wegen der fehlenden positiven Entwicklungen der letzten Jahre.

Stromerzeugung

Die Erzeugung von Strom aus erneuerbaren Energien in Deutschland ist zunächst eine Erfolgsgeschichte. 2017 kamen 38% des Stroms aus Sonne, Wind, Wasser und Biomasse, soviel wie nie zuvor. Das ist eine beachtliche Leistung, die sicher seinesgleichen sucht. Die große Koalition hat allerdings in der letzten Legislaturperiode die Unterstützung eher zurückgefahren als ausgebaut. Das zentrale Element, das Erneuerbare Energien Gesetz, wurde abgeschwächt und der Ausbau wurde nach oben begrenzt und damit die mögliche Transformation verlangsamt.

Trotz des Erfolges der erneuerbarer Energien hat weiterhin Kohlestrom einen hohen Anteil von 40%, höher als der Durchschnitt der EU oder der Welt. Der Stromsektor macht 40% der deutschen Emissionen aus. Kohle ist die Art der Stromerzeugung, bei der am meisten CO2 pro kWh emittiert wird und derzeit in Deutschland noch eine billige. Eigentlich sollte das Emissionshandelssystem der EU Kohlestrom unrentabel machen. Jedoch ist das Preissignal zu schwach, da unter anderem zu viele Zertifikate ausgegeben wurden. Bei Zunahme erneuerbarer Energien werden damit Gaskraftwerke aus dem Markt gedrängt, die zwar nur halb so viel CO2 pro kWh ausstoßen, aber teurer zu betreiben sind als Kohlekraftwerke. Kohle ist sogar so günstig, dass Deutschland 8% der Erzeugung exportiert und damit auch in Österreich und den Niederlanden Gaskraftwerken zu schaffen macht. Die Stromexporte sind derzeit deutlich höher als zu Beginn des Jahrzehnts.

Allein die 20 ältesten Kohlekraftwerke bis 2020 abzuschalten (etwas früher als geplant) würde die Lücke um mehr als die Hälfte schließen (50 Millionen Tonnen CO2). Mehrere Studien berechnen, dass die Versorgungssicherheit in diesem Szenario trotz Atomausstieg nicht gefährdet ist und der Wegfall auch unter zusätzlich widrigen Bedingungen (z.B. Kälte und Windstille) durch Verringerung der Exporte und nicht ausgelastete Gaskraftwerke aufgefangen werden kann.

Transport

Emissionen in diesem Sektor sind von 2010 bis 2016 um 8% gestiegen und machen immer noch 18% der Emissionen aus. Zwar hat die EU die weltweit ambitioniertesten CO2 Emissionsstandards für neue Autos, aber die große Koalition hat sich Berichten zufolge in den EU-internen Verhandlungen für lockere Grenzwerte eingesetzt.

Flankierende nationale Maßnahmen fehlen völlig oder gehen sogar in die falsche Richtung. Elektromobilität wird nur halbherzig unterstützt, das Ziel von 1 Million elektrischer Autos bis 2020 voraussichtlich weiter verfehlt. Regionen wie Niederlande, Norwegen oder gar Kalifornien sind da weit voraus mit einem Anteil von Elektroautos bei Neuanmeldungen von bis zu 50%. In Deutschland werden Dienstwagen weiterhin steuerlich begünstigt, so dass sie mehr als die Hälfte der Neuanmeldungen ausmachen, in der Vergangenheit mit einem höheren Anteil an großen Sportwagen (SUVs). LKWs haben weiterhin einen ökonomischen Vorteil gegenüber der Bahn durch niedrige Maut und Unterstützung von Gigalinern. Und der Dieselskandal wird nicht vernünftig aufgearbeitet. Ganz zu schweigen vom Güterverkehr, wo der Anteil der umweltfreundlicheren Verkehrsmittel Binnenschifffahrt und Eisenbahn gegenüber der Straße stagnieren bzw. an Anteil verlieren.

Kanzlerin Merkel hat nicht nur innerhalb der EU und Deutschland ambitioniertere Maßnahmen im Transportsektor verhindert, auch die chinesische Regierung schwächte Berichten zufolge ihre Quote für elektrische Fahrzeuge auf Druck der „Klimakanzlerin“. Mit dieser rückwärtsgewandten Politik werden eher Arbeitsplätze gefährdet als gesichert, da die Gefahr droht, den Umbruch der Industrie zu verschlafen.

Wichtige Schritte zum Füllen der Lücke wären Abbau oder Umbau von umweltschädlichen Subventionen bei z.B. Dienstwagen, Unterstützung des Ausbaus der Ladeinfrastruktur für Elektroautos, Erhöhung der LKW Maut.

Industrie

Die Emissionen in der Industrie sind seit 2010 stabil und machen 20% der Emissionen aus. Hauptinstrument sollte eigentlich das EU Emissionshandelssystem sein, das allerdings auf Grund des niedrigen CO2-Preises weitgehend wirkungslos ist. Energieintensive Industrien genießen zahlreiche steuerliche Vorteile, welche unter anderem dazu führen, dass Haushalte überproportional belastet werden. Die steigende Umlage für das EEG wurde dabei als Argument verwendet, die Ausbaukorridore für Erneuerbare zu begrenzen.

Deutschland müsste sich für ambitioniertere Ziele im EU Emissionshandel einsetzen und umgehend, wie in Großbritannien, einen Mindestpreis für CO2 Zertifikate einführen, um so dem Emissionshandelssystem wenigstens etwas mehr Wirkung zu geben. Auch müssten die Steuerbegünstigungen der energieintensiven Industrien auf den Prüfstand, natürlich auch mit Blick auf die Wirtschaftlichkeit der deutschen Industrie.

Haushalte, Gewerbe und Land und Forstwirtschaft machen den Rest der Emissionen aus, aber auch hier stagnieren oder steigen die Emissionen. Zwar gelingt es den Energieverbrauch von neuen Gebäuden durch Gebäudestandards recht gering zu halten, jedoch hakt es bei der Gebäudesanierung. Zwar wird diese mit vergünstigten Krediten gefördert, die aber bei dem niedrigen Zinsniveau nicht ihre volle Wirkung entfalten können. Auch hier gibt es Länder wie Norwegen oder Frankreich, die wesentlich schneller mit der energetischen Sanierung von Häusern voran kommen.

Es können auch klare Energieeinsparungen bei bestimmten Haushaltsgeräten verzeichnet werden, allerdings gehen diese oftmals auf der EU Ebene festgesetzte Standards zurück und könnten noch wesentlich ambitionierter ausfallen.

Die Landwirtschaft wurde bisher gänzlich aus der Klimapolitik ausgenommen.

Mit einem Koalitionsvertrag wie er sich jetzt abzeichnet, verabschiedet sich Deutschland nun offiziell von seiner Vorreiterrolle im Klimaschutz. Zudem unterminiert die Abkehr von Klimazielen deren Ernsthaftigkeit und damit die Grundlage der internationalen Klimapolitik, wie im Pariser Abkommen festgeschrieben. Mit einem umfassenden Maßnahmenpaket, das in einem Klimaschutzgesetz auch zukünftige Regierungen übersteht, könnte das noch verhindert werden. Das Ergebnis der Sondierungen beinhaltet den Plan sich auf solch ein Klimaschutzgesetz bis Ende 2018 zu einigen, es bleibt aber offen, ob es die nötigen Maßnahmen enthalten wird, das Klimaziel für 2020 tatsächlich noch zu erreichen.

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