Der in den letzten Wochen viel diskutierte Tagebau Hambach liefert einen erheblichen Teil der Kohle, die in den Kraftwerken Niederaußem und Neurath im rheinischen Braunkohlerevier verbrannt wird. Dass dies schädlich für Klima und Umwelt ist, ist lange bekannt, doch auch der direkte Einfluss auf die menschliche Gesundheit lässt sich bestimmen: Die durch Verbrennung der Hambacher Kohle erzeugten Schadstoffe tragen zu rund 320 frühzeitigen Todesfällen pro Jahr bei, etwa durch Herzerkrankungen oder Schlaganfälle. Zu diesem Ergebnis kommt eine aktuelle Analyse des NewClimate Institutes. Ein Ende der Kohleförderung im Tagebau Hambach kann dazu beitragen, die vermeidbaren und kostenintensiven Gesundheitsfolgen der Stromerzeugung durch Kohleverbrennung zu stoppen.
Wie wirken sich die Schadstoffe auf die menschliche Gesundheit aus?
Mit Schadstoffen sind konkret der Feinstaub PM2.5 und die zu sekundärem Feinstaub führenden Gase Stickstoffoxid und Schwefeldioxid gemeint. Diese Kleinst-Partikel können über die Lungenbläschen bis ins Blut gelangen und so negativ Einfluss auf das Herz-Kreislauf-System nehmen sowie auf direktem Wege vor allem Atemwegserkrankungen hervorrufen. Das Problem dabei ist, dass sich die Krankheiten im Einzelfall nur selten direkt auf die verschmutze Luft zurückführen lassen. Um den Gesamtschaden näherungsweise zu bestimmen, bedient sich die Analyse an Methoden aus der epidemiologischen Forschung, die unter anderem auch von der Europäischen Kommission und der Weltgesundheitsorganisation genutzt werden.
Was bedeuten die Ergebnisse für die Diskussion um Hambacher Forst und Kohleausstieg?
Durch die Luftverschmutzung der beiden Kraftwerke, heruntergerechnet auf den Anteil der Kohle aus dem Tagebau Hambach, kommen jährlich etwa 320 Menschen frühzeitig ums Leben, davon knapp die Hälfte innerhalb Deutschlands. Hochgerechnet auf ein Abschalten bis 2038 (angepeiltes Ausstiegsdatum) würde dies rund 6.440 frühzeitige Todesfälle in den kommenden Jahren bedeuten. Bereits durch ein Abschalten im Jahr 2030 würde diese Zahl auf etwa 3.860 sinken.
Interaktive Grafik zu den gesundheitlichen Folgen des Schadstoffausstoßes der Kraftwerke Neurath und Niederaußem:
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Wissenschaftlicher Hintergrund:
Das Health Impact Model des NewClimate Institutes wird im Rahmen des Ambition to Action (A2A) Projekts entwickelt. Es quantifiziert die gesundheitlichen Auswirkungen von Luftverschmutzung durch den Ausstoß von Schadstoffen aus verschiedenen Quellen der Stromerzeugung und weiteren Kraftstoffverbrennungen. Das Modell wird bald in Form eines Open-Source Excel-Tools für die Anwendung in zahlreichen Ländern bereitstehen. Die erste Version des Tools konzentriert sich auf Kohle- und Gaskraftwerke und berechnet die Auswirkungen auf die Sterblichkeit durch die vier Krankheiten Lungenkrebs, chronisch obstruktive Lungenerkrankung, ischämische Herzkrankheit und Schlaganfall, deren Prävalenz durch die Aufnahme von Schadstoffen aus der Luft zunimmt.
Das Modell bestimmt die Schadstoffemissionen eines Kraftwerks anhand von anlagenspezifischen Daten (Standort, Brennstoffverbrauch, Schadstoffkontrolltechnologien usw.), ermittelt die gefährdete Bevölkerung mithilfe einer GIS-Software (Geographic Information System) und berechnet dann die zugeschriebene Änderung in der PM2.5-Konzentration basierend auf dem Intake Fraction-Konzept und einem Satz vorbestimmter Koeffizienten. Die Methode folgt einem Ansatz, der in ähnlicher Weise unter anderem vom IWF verwendet wird, um eine komplexere Modellierung der Schadstoffausbreitung in der Luft zu umgehen. Anschließend wendent das Modell Konzentrations-Wirkungsfunktionen an, die den Anstieg des Mortalitätsrisikos pro 10 μg/m³ PM2,5-Anstieg angeben. Durch das Kombinieren dieser Risikoschätzung mit altersgewichteten Mortalitätsraten (berechnet aus regionalen Mortalitätsraten und Daten zum Anteil der Bevölkerung in verschiedenen Altersgruppen) und der zuvor ermittelten gefährdeten Bevölkerung schätzt das Modell die Anzahl der vorzeitigen Todesfälle pro Tonne Schadstoffausstoß für jede der vier Todesursachen. Schließlich wird diese Zahl mit den geschätzten Schadstoffemissionen multipliziert, um die Gesamtanzahl vorzeitiger Todesfälle pro Schadstoff und Ursache für jedes Kraftwerk zu berechnen.